Karpatendeutsche Wiki

Informations- und Wissensdatenbank über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der deutschen Minderheit in der Slowakei

Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


pressburg:buerstenfabrik

Bürstenfabrik Grüneberg

Die Fabrikantenfamilie Grüneberg gehörte bis 1945 zu den angesehensten Familien Preßburgs bzw. Bratislavas.

Geschichte

Im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts zog der Gärtner Friedrich Grüneberg aus Berlin nach Preßburg. Sein Sohn Carl Christoph Grüneberg eröffnete 1832 in Preßburg eine eigene Bürstenwerkstatt, der Enkel Carl Johann Joseph Grüneberg konnte im US-amerikanischen Philadelphia die Vorzüge der industriellen Produktion kennenlernen. 1866 wurde die erste Bürstenfabrik eröffnet. 1885 hat die Familie Grüneberg eine größere Fabrikhallen gegenüber der Blumentaler Kirche eröffnet, die 1902 umfassend umgebaut wurde. Carl Johann Joseph Grüneberg ist 1918 gestorben und wurde auf dem ev. Friedhof am Gaistor bestattet, wo die Grabstätte der Familie bis heute zu besichtigen ist. Auch nach der Entstehung der Tschechoslowakei 1918 konnte sich die Grünebergsche Bürstenfabrik behaupten. 1945 musste die Familie die Tschechoslowakei verlassen. (Mehr über die Fabrikantenfamilie Grüneberg findet man in der deutschen Wikipedia-Seite Die Fabrik wurde verstaatlicht. Der Betrieb wurde nach der Wende in der Mitte der 1990er Jahre eingestellt. Bis weit in die 1980er Jahre standen im Areal alle 17 Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Bis heute hat sich lediglich das frontale Gebäude in der Radlinského 27 erhalten, das aber anderweitig genutzt wird. Auf einer 1902 verschickten Postkarte 1902 ist die damalige Bürstenfabrik aus der Vogelperspektive zu bewundern: Projekt PamMap. Auf PamMap sind auch weitere 23 historische Ansichten der Bürstenfabrik zu sehen.

pressburg:buerstenfabrikant-grueneberg_juraj-gigac.jpg pressburg:buerstenfabrik-radabweiser_juraj-gigac.jpg

Auszüge aus den historischen Presseveröffentlichungen

Am 20.09.1775 tauchen der Name Grüneberg und der Beruf Bürstenbinder in einem traurigen Kontext in der Todtenliste der Preßburger Zeitung auf (difmoe.eu): Des Johann Christoph Grüneberg, Bürstenbindermeisters, sein Töchterchen Anna Katharina, in dem Schloßergässel, im Schüfferischen Haus, alt 4 Monat.

Am 07.06.1847 erscheint in der Preßburger Zeitung eine Anzeige mit diesem Text (difmoe.eu): Johann Gefatter, hiesiger bürgerlicher Bürstenbindemeister, erlaubt sich hiermit einem geehrten Publicum seinen ergebensten Dank für das ihm durch 42 Jahre geschenkte Zutrauen auszusprechen, und zugleich seinen Nachfolger, Herrn Johann Grüneberg, in dem Geschäfte und Verkaufsgewölbe am Hauptplatz aufs beste anzuempfehlen.

Preßburger Zeitung vom 28.07.1901 über den guten Ruf der Grünebergschen Bürstenfabrik (difmoe.eu): In Preßburg selbst ist in den letzten Jahren ein prächtiges Fabrikviertel entstanden und unaufhörlich qualmen die Schlote dichten Rauch in die Höhe, kennzeichnend, daß man an der Arbeit sei, daß man allerwegen froh den Hammer schwinge! Auch unter den hiesigen großen Fabriksfirmen sind viele an dem Exporthandel Ungarns betheiligt. Darunter besonders eine Firma, die in neuester Zeit wieder die Vergrößerung ihres prächtig eingerichteten Fabrikgebäudes vorgenommen hat, bestreitet schon seit langer Zeit namhafte Bedürfnisse Englands. Carl Grüneberg erfreut sich in englischen Landen eines so vornehmen Rufes, daß die Erzeugnisse dieser Fabrik in England ihr größtes Absatzgebiet finden. Und England bezieht jährlich viele Waggonladungen aller erdenklichen Bürstengattungen. Wir erinnern uns im Uebrigen an die Erfahrung, die die Gattin des Handelsministers Hegedüs in London gemacht hat, als sie zierliche Bürsten zum Geschenke nach Hause brachte. Zufällig fiel ihr Blick auf eine eingeprägte Marke und mit größtem Erstaunen, aber auch mit Befriedung sah sie, daß das vermeintliche englische Fabrikat in Preßburg geschaffen wurde.

Es gab aber auch Kritik, wie in der Westungarischen Volkszeitung vom 02.10.1902 (difmoe.eu): Er liebt die Abwechslung, der Maschinen-Werkmeister Santhofer in der Bürstenfabrik. Jede Woche fast hat er andere Arbeiter, die er, da die Kündigung eine tägliche ist, wieder von dannen jagt. So ziemlich die ganzen Schlosser von Preßburg hat er aufgenommen und wieder entlassen. An solcher Manipulation wären die Arbeiter von heute ja schon gewöhnt und keiner hegt die Hoffnung, „ewige Kondition“ zu erhalten. Das Vorgehen des erwähnten Meisters ist aber deshalb rügenswerth, weil er mit dem Kündigen und Aufnehmen kein Maß halten kann. Am vorigen Montag hat er z.B. einen Schlosser gekündigt, Dienstag hat er ihm verlautbart, daß er bleiben kann und Samstag hat er ihn entlassen. Der Arbeiter hat dadurch einen Posten, den er sich nach der ersten Kündigung verschafft hat, verloren und wurde daher in seinem Broterwerb erheblich geschädigt. Womit der Meister ein solches Vorgehen begründen könnte, ist uns ein Räthsel. Diese Paschawirtschaft steht mit der sonstigen Gebahrung des Hauses Grüneberg im Widerspruch und ersuchen wir daher, um etwas mehr Ordnung.

Am 18.10.1910 veröffentlichte die Preßburger Zeitung einen Artikel über Probleme, die die US-amerikanische Zollpolitik der Grünbergschen Bürstenfabrok bereitet hat (difmoe.eu): Diese Schutzzoll-Tendenz der Vereinigten Staaten würde auf unsere industrielle Produktion sehr nachtheilig wirken, denn obwohl z.B. die Pozsonyer Bürstenfabrik bei dem jetzigen 40perzentigen Zoll schon seit einigen Jahren nicht mehr imstande ist, nach Amerika zu exportieren , denn – obwohl die Zollerhöhung in erster Linie die deutsche Industrie oder andere Staaten berühren würde – müsse man davorhalten, daß im Falle entstehender Schwierigkeiten auf dem amerikanischen markte die starke Bürstenindustrie der Deutschen als Mitkonkurrent auf den ausländischen unseren Fabriken auftreten würde.

Am 23.08.1925 informiert die Preßburger Zeitung über die nach wie vor wichtige Rolle der Grünebergschen Bürstenfabrik in der Tschechoslowakei (difmoe.eu): Die Erzeugnisse der Bürstenfabrik Grüneberg bilden den Stolz der industriellen Produktion der Tschechoslowakei, da kein einziges gewerbliches Produkt des Landes auch nur annähernd einen solchen Weltruf genießt und auf eine solche Verbreitung am Weltmarkte blicken kann. Sie sind insbesondere ein Stolz unserer Vaterstadt, deren Namen auf diese Weise vom Orinoko bis zum Janktsekiang Verbreitung findet.

pressburg/buerstenfabrik.txt · Zuletzt geändert: 2025/01/15 18:53 von redaktion